Im Eiltempo von der Regierungsbank in die Wirtschaft wechseln hat ein Ende

In erster Lesung hat der Deutsche Bundestag gestern am späten Nachmittag des 23. April 2015 die Debatte um das sogenannte Karenzzeitgesetz aufgenommen. Der Duisburger Abgeordnete Mahmut Özdemir hielt dazu als zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion eine elfminütige Plenarrede. Bei Interessenkonflikten wird zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik für Politikerwechsel von der Regierungsbank in die Wirtschaft künftig eine Wartezeit von zwölf, in Sonderfällen von 18 Monaten gelten.

Özdemir erklärt: „Bislang gab es auf Bundesebene keine gesetzlichen Regelungen für amtierende oder ehemalige Regierungsmitglieder, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung jenseits des öffentlichen Dienstes in der freien Wirtschaft aufnehmen möchten. Bereits zu Beginn der Wahlperiode hatte die SPD-Bundestagsfraktion eine klare Regelung für den Wechsel von Politikerinnen und Politikern in die Wirtschaft gefordert, um möglichen Interessenkonflikten von Anfang an Einhalt zu gebieten. Mit dem vorliegenden Gesetz schließen wir genau die Lücke, die es braucht, um vermeintliche Interessenkonflikte zu prüfen und tatsächliche Interessenkonflikte zu entkräften.

Mit der Karenzzeit, also einer Warte- oder Sperrfrist, wird das Ziel verfolgt, der Beeinflussung von Amtshandlungen durch die Interessen des avisierten neuen Arbeitgebers vorzubeugen. Umgekehrt sollen ausscheidende Spitzenpolitiker nicht als Lobbyisten für Unternehmen engagiert werden dürfen, weil sie über politische Expertise, Insiderwissen und letztlich wirtschaftlich nutzbare Kontakte verfügen.

Das Gesetz gibt demnach vor, dass mit dem Beginn von Gesprächsverhandlungen über einen möglichen Wechsel in die Wirtschaft die betroffenen ehemaligen wie amtierenden Mitglieder der Bundesregierung, die beabsichtigen, innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nachzugehen, verpflichtet sind, dies bei einem unabhängigen beratenden Gremium schriftlich anzuzeigen. Die Anzeigepflicht gilt auch für Anschlusstätigkeiten in privaten Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Dies gilt selbstverständlich ebenso für die Bundeskanzlerin.

Selbiges Gremium muss nach einschlägiger Beratung dem Bundeskabinett einen Vorschlag unterbreiten. Das Bundeskabinett entscheidet schließlich, ob ein Interessenkonflikt vorliegt oder nicht: Die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung kann untersagt werden, wenn durch ihre Aufnahme öffentliche Interessen beeinträchtigt werden können. Die Karenzzeit soll dabei regulär die Dauer von einem Jahr bzw. 12 Monaten nicht überschreiten. Nur in als besonders schwerwiegend eingestuften Ausnahmefällen kann der Zeitraum der Untersagung 18 Monate betragen. Während dieser Karenzzeit besteht auf jeden Fall der Anspruch auf Übergangsgeld.

Sämtliche genannten Regelungen gelten für Parlamentarische Staatssekretärinnen und Parlamentarische Staatssekretäre ent-sprechend. Sie sind anzeigepflichtig gegenüber dem für sie zuständigen Mitglied der Bundesregierung.

In der Konsequenz kann das Karenzzeitgesetz mit Recht als korruptionsvorbeugend bezeichnet werden. Es beugt Machtungleichheiten vor und wirkt ihnen im Ernstfall entgegen. Die Grundtugenden der staatlichen Demokratie wurden im Sinne einer Förderung der Transparenz mit einem weiteren essentiellen Schutzmechanismus unterlegt.

Es bleibt wichtig zu betonen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf keinerlei grundrechtswidriges Berufsverbot verankert wurde. Auch Spitzenpolitiker müssen nach dem Ende ihrer Amtszeit, das zuweilen unverhofft kommen kann, erneut in ein Berufsleben außerhalb der Politik einsteigen oder selbiges wieder aufnehmen können. Dies wird auch von unseren Bürgerinnen und Bürgern erwartet. In dieser Perspektive ermöglicht das Karenzzeitgesetz die Bewahrung der Politik vor Unsicherheiten, Vorverurteilung und ungerechtfertigter Kritik.“